Der Basler Münsterschatz
Geschichte
Die Geschichte des Basler Münsterschatzes beginnt im Jahre 1019 mit der Stiftung Kaiser Heinrichs II. Die kaiserliche Zuwendung ist aber weit mehr als eine fromme Geste; sie markiert die politische Bedeutung Basels für die ottonische Reichspolitik.
In der Folge ist die Geschichte des Schatzes geprägt von Wechseln und Kontinuitäten. Einige Objekte wie die goldene Altartafel haben sich seit der Schatzgründung vor tausend Jahren bis heute erhalten. Zahlreiche Objekte aus Gold und Silber, Kreuze, Monstranzen und Abendmahlskelche, aber auch Reliquien, Bücher und edle Stoffe kamen hinzu. Geschenke, Stiftungen und Neuerwerbungen erzählen den Schatz als eine Wachstumsgeschichte.
Doch längst nicht alle Bestandteile des Schatzes haben die ereignisreiche Geschichte Basels und seines Münsters schadlos überstanden. Fahnen, Gewänder und Altartücher zerfielen, Gold und Silber wurde entwendet, Bücher verschwanden, Objekte gingen kaputt, liturgisches Gerät wurde zerstört, eingeschmolzen, verändert oder ganz profan in «klingende Münze» verwandelt. Diese Bewegungen in mittelalterlichen Schatzensembles sind aber nicht aussergewöhnlich, sondern entsprechen vielmehr der Regel.
Trotz (oder wegen) dieses permanenten Wandels hat der Schatz, bzw. die wertvollen Objekte aus Edelmetall die letzten tausend Jahre insgesamt erstaunlich gut überdauert. Selbst die beiden grossen Einschnitte – die Reformation und Kantonstrennung – haben ihn nicht zerstört. Im 16. Jahrhundert wurde er seiner liturgischen Funktion beraubt, dezimiert, weggeschlossen und fast vergessen, was ihn letztlich wohl gerettet hat. Zu Beginn des 19. Jahrhundert wurde er wiederentdeckt, profanisiert, wurde auf dem Kunstmarkt verkauft und schliesslich musealisiert. Jetzt nach 1000 Jahren wurde er erstmals digitalisiert.
Chronologie
1019
Weihe des neuen Basler Münsters. Kaiser Heinrich II. stiftet vermutlich die goldene Altartafel, das Heinrichskreuz, Reliquien und andere Kostbarkeiten.
1146
Heiligsprechung Heinrichs II.
1200
Heiligsprechung Kunigundes.
1254
Basel erhält aus Köln Reliquien der Hl. Ursula.
1270
Stiftung von Teilen der Schädelreliquie des Heiligen Pantalus aus Köln.
1347
Heinrich II. wird nach Maria zweiter Patron des Basler Münsters. Partikel der Kaiserpaarreliquie werden aus Bamberg nach Basel überführt.
Der 13. Juli wird als Heinrichstag ein zentraler Bestandteil politischer und religiöser Rituale.
1356
Das grosse Erdbeben zerstört Chor und Hochaltar des Münsters, der Schatz bleibt unversehrt.
1431
Konzil von Basel bis 1448.
1440
Krönung des Gegenpapstes Felix V.
1477
Ältestes überliefertes Inventar des Münsterschatzes.
1501
Basel tritt am 13. Juli der Eidgenossenschaft bei.
1529
Reformation und Bildersturm. Zerstörung zahlreicher Altäre und Kirchenausstattungen im Münster und in anderen Kirchen der Stadt. Der Münsterschatz bleibt weitestgehend verschont. Das Domkapitel flieht nach Freiburg i. Br.
1532
Verkauf von Paramenten, Ornaten und anderer Textilien sowie von Büchern aus dem Münsterschatz auf einer Auktion.
1585
Regelung der Besitzverhältnisse im Badener Vertrag. Abfindung des Bischofs. Eine Abfindung des Domkapitels für den Münsterschatz scheitert am Widerstand des Kapitels.
Der Schatz wird in der Sakristei verschlossen.
1590
44 Abendmahlskelche und die dazugehörigen Patenen werden eingeschmolzen.
1590 - 1827
Der in der Sakristei verschlossene Schatz gerät mehr und mehr in Vergessenheit.
1827
Der Schatz wird aus Sicherheitsgründen vom Münster ins Rathaus verlegt. Die Reliquien werden aus ihren Behältnissen entfernt und heimlich verwahrt.
1833
Kantonstrennung. Der Münsterschatz wird gemäss den Bevölkerungsanteilen in Stadt und Land aufgeteilt; zwei Drittel an die Landschaft, ein Drittel an die Stadt.
1834
Die Reliquien werden dem Benediktinerkloster in Mariastein im Kanton Solothurn übergeben.
1836
Grosse Teile des Schatzanteils von Basel-Land werden in Liestal versteigert
1849
Grosse Teile des Schatzanteils von Basel-Stadt werden im neuen Museum in der Augustinergasse ausgestellt. Er gelangt 1882 in die mittelalterliche Sammlung und 1894 in das neu gegründete Historische Museum Basel in der Barfüsserkirche.
1933
Rückkauf der Kaiserpaar- und Apostelmonstranz aus St. Petersburg.
1955
Rückkauf des Ursula-Reliquiars aus Amsterdam.
2001
Anlässlich des 500jährigen Beitritts Basels zur Eidgenossenschaft wird am 13. Juli in der Barfüsserkirche eine grosse Münsterschatz-Ausstellung eröffnet. Sie ist auch in New York und München zu sehen.
2019
Erstmals ist der Münsterschatzbestand des Historischen Museums in einer interaktiven digitalen Ausstellung verfügbar.
Glossar
Antependium
Aus lat. ‚ante‘ (=vor) und ‚pendere‘ (=hängen). Schmuck der Altarseiten aus Stoff oder Metall.
Authentik
Ein der Reliquie beigefügtes (bischöfliches) Dokument, das die Herkunft und Echtheit einer Reliquie bestätigt.
Custodia
Aus lat. ‚custodire‘ (=schützen, bewachen). Ein kostbares liturgisches Gefäss zur Präsentation von Reliquien oder geweihten Hostien. Meist gleichbedeutend mit Monstranz.
Domkapitel
Auch Domstift. Eine von Klerikern einer Bischofskirche (Domherren) geformte Körperschaft, die für die administrative und liturgische Leitung der Kirche verantwortlich ist und den Bischof berät.
Dreipass
Muster aus dem Umriss von drei gleich grossen, einander überlappenden Kreisen, die um ein gemeinsames Zentrum angeordnet sind.
Email
Glasfluss, erstarrtes Schmelzerzeugnis aus Salzen und Metalloxiden.
Eucharistie
Aus altgr. ‚eucharistéo‘ (=ich sage Dank). Die Abendmahlsfeier.
Fiale
Aus dem italienischen ‚foglia‘ (=Pflanzennadel) kleine, spitze Seiten- und Ziertürmchen.
Gemme
Geschnittener Schmuckstein.
Griechisches Kreuz
Kreuz mit vier gleich langen Seitenarmen
Heiltum
Ein Mittel, das zum Seelenheil führt; meist im Sinne einer Reliquie. Im übertragenen Sinn oft auch die Ansammlung von Reliquien und anderen heiligen Dingen.
Hostien
Aus lat. ‚hostia‘ (=Opfergabe, Opfertier). Bezeichnet in den meisten christlichen Kirchen das Brot zur Feier des Abendmahls.
Kamee
Auch Camée, Kameo oder Cameo. Ein aus einem Schmuckstein geschnittenes Relief.
Monstranz
Aus lat. ‚monstrare‘ (=zeigen). Ein kostbares liturgisches Schaugefäss zur Präsentation von Reliquien oder geweihten Hostien.
Nodus
Aus lat. ‚nodus‘ (=Knoten). Ein für Abendmahlskelche gebräuchliches, knaufartiges Gestaltungselement des Schaftes, der cuppa und Kelchfuss miteinander verbindet.
Ornat
Die festliche Amtstracht eines Würdenträgers, die zu offiziellen Anlässen getragen wird.
Ostensorium
Aus lat. ‚ostendere‘ (=entgegenhalte, zeigen). Ein kostbares liturgisches Schaugefäss zur Präsentation von Reliquien oder geweihten Hostien. Weitgehend gleichbedeutend mit Monstranz.
Paramente
Die zum Schmuck des Kirchenraums und in der (katholischen) Liturgie verwendeten Textilien.
Patene
Aus altgr. patáne (=Schale). Die tellerartige Brotschale auf der bei der Eucharistie die Hostie dargeboten wird.
Patron / Patronin
Der oder die (meist namensgebende) Schutzheilige einer Kirche oder Kapelle.
Reliquiar
Behältnis zur Aufbewahrung von Reliquien.
Reliquie
Aus lat. ‚reliquiae‘ (=das Zurückgelassene). Die Sterblichen Überreste von Heiligen oder von Dingen, die mit den Heiligen in unmittelbarer körperlicher Verbindung standen.
RTI
Reflection Transformation Imaging ist ein photographisches Verfahren, welches aus mehreren, individuell beleuchteten Einzelbildern ein mathematisches Modell der Oberflächenstruktur, der Farbe und des Reflexionsverhaltens der Oberfläche von Objekten berechnet. Dies erlaubt es, das Objekt anschliessend in einer virtuellen Szene unter beliebigen Beleuchtungsszenarien interaktiv zu betrachten. Damit eröffnen sich eine Vielzahl an Möglichkeiten für die detaillierte Analyse, Dokumentation und Präsentation ohne weiteren Zugang zum Objekt zu benötigen.
Tabernakel
Aus lat. ‚tabernaculum‘ (=Hütte, Zelt). In der katholischen Kirche der Aufbewahrungsort der geweihten aber unverzehrten Hostien.
Vierpass
Muster aus dem Umriss von vier gleich grossen, einander überlappenden Kreisen, die um einen gemeinsames Zentrum angeordnet sind.
150 MPixel
Die hochaufgelösten Bilder wurden mit einer digitalen Kamera mit 150 Megapixel unter Studiobedingungen aufgenommen. Dies erlaubt die Wiedergabe von feinsten Details. Um die Ladezeit der sehr grossen Bilddaten zu reduzieren, werden auf muensterschatz.ch nur die momentan betrachteten Bildpartien geladen. So ist auch das Betrachten der hochaufgelösten Bilder auf mobilen Geräten problemlos möglich.